Steve Roden + Mem1: A Floating Wave of Air
Mit 'The Opening of the Field', 'Airforms' und 'Possible Landscapes' deutet Roden die lauschige Unbestimmtheit an, in die er, allein oder in Gesellschaft von Wanderfreunden wie Brandon LaBelle, Toy Bizarre, Bernhard Günter, Francisco López oder Machinefabriek, eindringt. Wobei Wandern schon zu viel gesagt ist, die Felder, die sich da auftun, sind, unfassbarer als Luft und Wasser, viel zu vage für grobe Füße. Auch 'The Uncertainties of Movement', die sechs Streifzüge, die er 2008 und 2013 unternommen hat zusammen mit dem Mem1-Couple Laura & Mark Cetilia, folgen lediglich krakeligen Linien oder Strichen in skizzenhaften Koordinatengittern als kryptischen 'Wanderkarten'. Mit psychogeo-graphischem Dèrive ist das allenfalls um drei Ecken verwandt. Es ist das eher das allmähliche Verfertigen weiterer Dimensionen um einen dünnen Faden herum, an dem sich Cello & Stimme, ein analoger Modularsynthesizer, Rodens acoustic objects und allgemein Electronics entlang tasten. Die Cetilias, die sich übrigens 2003 bei Roden in L.A. kennengelernt haben, sind inzwischen in Rhode Island mit Estuary Ltd. in Providence und der Konzertreihe Ctrl+Alt+Repeat in Pawtucket profilierte Verfechter grenzverletzender Elektroakustik. So auch mit hier. ('I') Rubbelige und hechelnde Verschleifungen und spitzes Pizzikato lösen kakophone ebenso wie sonore Dröhnwellen aus. Und kläfft da nicht ein kleiner Hund? ('II') Zu einem wummrigen Zitterpuls kommen ein heller und ein furzeliger dazu, dazu pumpt schneller Herzschlag, akzentuiert mit einem metallioden Plonken, zarter Vokalisation und zartem Flöten. ('III') Zu wie geblasenen, tröpfeligen, rostigen und knarzigen Lauten ertönen Rufe, aber wie von Vinyl gescratcht, wobei das nun auch von schnarchenden Cellostrichen und gesummtem Singsang durchsetzte Ganze sich anhört wie aus Loops gefügt und in Traumflüssigkeit getaucht. ('IV') In knurschendes Vinyl mischt sich Wolfs- oder Windgeheul, mit einer dröhnenden, pfeifenden Bewegung, die sich zu einer Flatterwelle verdichtet und wieder entspannt zu einem pfeifenden Pulsieren mit Cellobeiklang und zuletzt auch wieder Singsang. Pulsierend, sich drehend, atmend, driftend verlieren Menschliches, Naturhaftes und Maschinelles die Konturen. Besonders schön gelingt das bei 'V', wenn sich aus Krimskramerei harmonische Cellowellen und -pizzikato herausschälen, erneut zu vokalisiertem Lullaby. Bei 'VI' erschallen tutende Hörner über knarrenden Fröschen und Harmonikaklang, der im Wind bibbert. Wieder knurscht Vinyl wie Harsch, wieder spielen imaginäre Wölfchen Flöte, spielt der Regen Cello. Aber wohin führt das, wenn man Wölfe mit Flöten, Frauen mit Hüten und Ruß mit Schnee verwechselt? -Rigobert Dittman
– Bad Alchemy (2015)